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Reiherstieg-Viertel – Auf den Spuren der Hafenarbeiter

Bei einem Trip nach Hamburg hat das Reiherstieg-Viertel auf der Elbinsel Wilhelmsburg oft das Nachsehen, dabei versprüht das multikulturelle Arbeiterviertel mit seinen vielen Gegensätzen einen besonderen Charme. Gegründet als Siedlung Ende des 19. Jahrhunderts, bildet das Viertel heute noch den Kern des Hamburger Freihafens. Seine Historie ist an jeder Straßenecke spür- und sichtbar, weshalb es bei einem Rundgang einiges zu entdecken gibt.

Die Geschichte des Viertels

Das Viertel verdankt seinen Namen dem Reiherstieg, einem schiffbaren Seitenarm der Elbe im Hamburger Hafen. Im Zuge der Industrialisierung und der Gründung des Hamburger Freihafens siedelten sich hier die Hafenarbeiter an und das Viertel galt lange als Hochburg der politischen Arbeiterbewegungen. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Viertel mit seinen markanten Backsteinhäusern immer mehr in ein Armutsgebiet entwickelt. Auch wenn die Wirtschaft seit längerem plant, Wilhelmsburg in eine logistische Drehscheibe für den Hafenverkehr umzuwandeln, gingen viele Arbeitsplätze verloren und die Armut wurde größer. Zwar befindet sich das Reiherstieg-Viertel seit einigen Jahren im Umbruch – so wurden etwa Altbauten saniert und nach der Internationalen Gartenschau 2013 mit dem Inselpark eine weitläufige Grünanlage mit Spielplätzen und Sportmöglichkeiten erschaffen. Doch der große Zustrom blieb bislang aus. Und so zeichnet sich das Viertel nach wie vor durch eine kreative Atmosphäre und Internationalität aus.

Das alte Badehaus

Ein Highlight bei einem Rundgang durch das Reihersteig-Viertel ist das alte Badehaus, das von den Arbeitern der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) genutzt wurde. Gegen eine Gebühr konnten die Arbeiter der Reederei und deren Familien dort duschen, da in den Unterkünften, die 1912 gebaut wurden, keine Badezimmer vorhanden waren.

Und so erinnert dieses Stück Geschichte an die Volksbäder aus Berlin und München, die aufgrund von fehlenden Waschmöglichkeiten jahrzehntelang das Stadtgeschehen prägten. Auch in Hamburg befand sich um 1910 nur in etwa 20 Prozent der Wohnungen ein Badezimmer, sodass Bäder in langen Sanierungsprozessen nachträglich in Wohnung integriert werden mussten. Dabei herausgekommen ist das sogenannte Hamburger Bad, ein lang gezogenes Schlauchbad, das bei einem Vergleich mit den heutigen modernen Sanitäranlagen und Duschkabinen, die nun in den verschiedensten Maßen und Designs bestellt und an jede Bausubstanz angepasst werden können, den Kürzeren zieht.

Die wilde 13

Das Badehaus ist mittlerweile ein Wohnhaus und die Entwicklung ist exemplarisch für das Viertel. Vor allem Studenten haben das Viertel aufgrund der bezahlbaren Mieten für sich entdeckt, sodass kreative Freiräume entstanden sind, geprägt von einer multikulturellen Atmosphäre. Durch den hohen Anteil an Migranten zeichnet sich das Viertel durch Lebendigkeit und Weltoffenheit aus. Auf einer Fahrt in der wilden 13, dem Bus, der durch Wilhelmsburg fährt, fühlt man sich oft wie auf einem Marktplatz, auf dem sich die unterschiedlichen Nationen versuchen zu übertönen. Das Leben im Reiherstieg-Viertel ist bunt, sodass jeder sich einen Tag Zeit nehmen sollte, um dieses Lebensgefühl und den Wandel der Zeit bei einem Rundgang hautnah mitzuerleben. Die Zukunft wird zeigen, welche Neuerungen dieser für die Bewohner und Häuser mit sich bringt.

Bild: pixabay.com, moerschy, 832421